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Zeitgeschichte: Die Situation bis zum Herbst '89 - Serie: 'MIt Faust und Kerze' (1)

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Seit Beginn des Jahres war die innenpolitische Situation in der DDR durch zahlreiche Demonstrationen und Proteste geprägt. Während sich diese in den Jahren zuvor, vorallem im Umfeld der Kirchen konzentrierten, kam es ab Januar 1989 zu neuen Protestformen. Die Demonstraten verließen bewusst dass schützende Dach der Kirche, suchten die öffentliche Auseinandersetzung mit dem DDR-Staat.

Bereits am 15. Januar 1989 kam es in der Leipziger Innenstadt zu einer unabhängigen Demonstration für Presse-, Meinungs,- und Versammlungsfreiheit. Obwohl 53 Menschen vorläufig festgenommen wurde - und die Organisatoren der Demonstration in Haft saßen - kamen alle in den Tagen danach wieder frei. Dies ermunterte die Leipziger Organisatoren zu weiteren öffentlichkeitswirksamen Aktionen.

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Am 7. Mai 1989 wurde auf dem Marktplatz gegen die DDR-Einheitswahl protestiert, im Juni ein Umweltmarsch abgehalten und ein Straßenmusikfestival in der Innenstadt organisiert. Bei all diesen Aktionen gab es vorläufige Festnahmen und saftige Geldstrafen.

Aber auch in anderen Städte wurde gegen den Ausgang der DDR-Kommunalwahlen protestiert. So veranstalteten Oppositionelle in Ost-Berlin am 7. Juni eine Schweigemarsch gegen die gefälschten Ergebnisse der 'Einheitswahl'. Auch hier griff die DDR-Staatsmacht zu.

Währenddessen verlassen Tausende von Ausreiseantragstellern die DDR via Ungarn in Richtung Westen. Eine innenpolitische Krise deutet sich an.

Am 4. September - nach der Sommerpause bei den montäglichen Friedensgebeten in der Nikolaikirche - entrollten Leipziger Oppositionelle erstmals öffentlich Transparente. Auf einem stand: "Für ein offenes Land mit freien Menschen". Auf einem anderen: "Reisefreiheit statt Massenflucht". Zivilkräfte der DDR-Staatssicherheit griffen brutal zu, entrissen den Protestierenden die Transparente.

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"Stasi raus, Stasi raus". Den Protest vor den westlichen TV-Kameras konnten sie an diesem Messemontag in der Leipziger Innenstadt jedoch nicht verhindern. Wenig später ziehen ungefähr 500 Menschen - angeführt von Ausreiseantragstellern, die ihr Anliegen in die westlichen Kameras rufen - in Richtung Hauptbahnhof.

Für ihre öffentliche Niederlage revanchierten sich die DDR-Sicherheitsorgane in den Wochen danach. Sowohl am 11. und 18. September war der Nikolaikirchhof von Polizisten hermetisch abgesperrt, gab es zahlreiche vorläufige Festnahmen. Gegen mehr als ein Dutzend Leipziger Bürgerrechtler wurden sogar Haftbefehle erlassen.

Am 25. September gelang es dann - im Anschluß an das Montagsgebet in der Nikolaikirche - eine Demonstration zu veranstalten. Rund 5.000 Menschen schlossen sich ihr an. Sie forderten Reformen in der DDR und die Zulassung der oppositionellen Sammlungsbewegung 'Neues Forum'. Vom nahe gelegenen Karl-Marx-Platz zogen sie über den Innenstadtring bis zum Leipziger Hauptbahnhof. Die DDR-Sicherheitskräfte wirkten an diesem Tag überrascht, überfordert. Dies war der größte Protestmarsch bis dahin in der DDR, seit dem Aufstand vom 17. Juni 1953. Stasi-Chef Erich Mielke bewertete die Ereignisse so:

"Insgesamt ist einzuschätzen, dass unter solchen Bedingungen wie am 25. September 1989 in Leipzig, ohne den Einsatz polizeilicher Mittel, z. B. Wasserwerfer und Schlagstöcke, sowie die polizeiliche Zuführung und Gewahrsamsnahme einer größeren Anzahl von Personen die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit nicht mehr zu gewährleisten ist."

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